Michael Stephan

Rechtsanwalt
Fachanwalt für Arbeitsrecht & Fachanwalt für Familienrecht & Anwalt für Erbrecht

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Abmahnung

1.0 Grundsätze

Im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses schuldet der Arbeitnehmer die Erbringung der Arbeitsleistung und der Arbeitgeber die Vergütung derselben (arbeitsvertragliche Hauptleistungspflichten). Als Gläubiger der Arbeitsleistung weist der Arbeitgeber den Arbeitnehmer als seinen Schuldner auf dessen vertragliche Pflichten hin und macht ihn auf die Verletzung dieser Pflichten aufmerksam (Rügefunktion). Zugleich fordert er ihn für die Zukunft zu einem vertragstreuen Verhalten auf und kündigt, wenn dieses ihm angebracht erscheint, individualrechtliche Konsequenzen für den Fall einer erneuten Pflichtverletzung an (Warnfunktion).

Mit der Abmahnung soll zugleich die sogenannte Dokumentationsfunktion erfüllt und das beanstandete Verhalten für eine für den Wiederholungsfall auszusprechende Kündigung festgehalten werden.

Eine Abmahnung ist eine spezielle Wirksamkeitsvoraussetzung im Bereich der ver-haltensbedingten Kündigung. Es wird rechtlich unterschieden hinsichtlich der Erfor-derlichkeit der Abmahnung bei Störungen im Leistungsbereich und im Betriebs- bzw. Vertrauensbereich.

  1. Bei Leistungsstörungen kann vom Arbeitnehmer keine Änderung seines Ver-haltens erwartet werden, solange der Arbeitgeber ihn nicht auf sein Fehlver-halten aufmerksam gemacht hat. Somit ist im Leistungsbereich immer eine Abmahnung erforderlich. In Einzelfällen ist sie entbehrlich. Es handelt sich je-doch um seltene Ausnahmefälle.
  2. Bei Vertragsverletzungen im Vertrauensbereich ist die Vertrauensgrundlage des Arbeitsverhältnisses durch das Verhalten erschüttert, sodass hier eine Ab-mahnung nicht unbedingt nötig ist. Es wird jedoch auch die Auffassung vertreten, die der Unterzeichnende ebenfalls vertritt, dass es weniger auf die Frage, welchem Bereich die Vertragsverletzung zuzuordnen ist, ankommt, sondern vielmehr, ob der Arbeitnehmer sein Fehl-verhalten steuern kann oder nicht. Allerdings ist es so, dass beeinträchtigtes Vertrauen durch zukünftiges Verhalten nicht ohne Weiteres wieder hergestellt werden kann, sodass bei er-heblichen Störungen die Rechtsprechung eher eine Kündigung ohne Abmahnung im Vertrauensbereich zulässt.
  3. Falls mehrere Arbeitnehmer eine Vertragsverletzung begangen haben, ist der Gleichbehandlungsgrundsatz anzuwenden, d.h., gleiches Verhalten sollte auch grundsätzlich gleich sanktioniert werden.

2.0 Wirksamkeitsvoraussetzungen:

Die Abmahnung muss inhaltlich bestimmt sein. Der Arbeitnehmer muss ihr zweifels-frei entnehmen können, was ihm vorgeworfen wird und wie er sein Verhalten in Zu-kunft einzurichten hat und dass bei wiederholten Verstößen Inhalt oder Bestand seines Arbeitsverhältnisses gefährdet sind.

Wenn in einer Abmahnung mehrere Pflichtverletzungen gerügt werden, müssen sämtliche Vorwürfe berechtigt sein. Soweit auch nur ein Vorwurf unbegründet ist, muss die Abmahnung insgesamt aus der Personalakte entfernt werden. Sie kann auch nicht teilweise aufrechterhalten werden. Ggf. kann sie unter Beschränkung auf die begründeten Vorwürfe allerdings wiederholt werden. Wenn mehrere Vetrags-verstöße abgemahnt werden sollen, wird daher angeraten, jeden Vertragsverstoß mit einer gesonderten Abmahnung dem Arbeitnehmer vor Augen zu führen.

Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit ist in diesem Zusammenhang ebenfalls zu beachten. Daraus folgt, dass nicht wegen Bagatellvorwürfen eine Abmahnung erfol-gen darf. Hier sollte eine Ermahnung oder Rüge genügen.

3.0 Form

Die Abmahnung ist nicht an eine bestimmte Form gebunden. Auch mündlich kann wirksam abgemahnt werden. Im Hinblick auf die Dokumentations- und Beweisproblematik wird allerdings immer angeraten, Abmahnungen schriftlich abzufassen, denn bei einem späteren Kündigungsschutzverfahren dürfte schwerlich der Nachweis zu führen sein, dass es sich um eine wirksame Abmahnung gehandelt hat (Dokumentations- bzw. Nachweisfunktion).

4.0 Frist

Die Abmahnung ist nicht, wie z.B. die fristlose Kündigung gemäß § 626 Abs. 2 BGB, an eine Regelausschlussfrist von z.B. zwei Wochen gebunden. Allerdings kann das Recht zur Abmahnung durch Zeitablauf verwirkt werden, was dann gilt, wenn nach dem Fehlverhalten sich der Arbeitnehmer mehrere Monate vertragstreu verhalten hat und speziell diejenigen Fehler, die in der Vergangenheit geschehen waren, nicht wiederholt wurden. Es kann z.B. zur Vorbereitung einer beabsichtigten Kündigung nicht mehr auf alte Vorfälle zur Erteilung einer Abmahnung zurückgegriffen werden; zumindest dürfte das Recht zur Abmahnung in diesem Fall verwirkt sein (Umstands- und Zeitmoment). Grundsätzlich kommt es jedoch immer auf eine Einzelfallbeurteilung an.

5.0. Abmahnungsberechtigte

Zur Abmahnung berechtigt sind nicht nur die organschaftlichen Vertreter, d.h. z.B. bei einer GmbH der/die Geschäftsführer, sondern auch diejenigen, die befugt sind, verbindlich Anweisungen bezüglich des Ortes, der Zeit und der Art und Weise der vertraglich geschuldeten Arbeitsleistung zu erteilen. Das sind meist sämtliche Filial- bzw. Niederlassungslei-ter und die Bereichs- und Abteilungsleiter, Meister bzw. Vorarbeiter in ihren jeweiligen Verantwortungsberei-chen. D.h. alle die Personen, die für den Arbeitgeber Arbeitgeberfunktionen ausüben und Weisungen erteilen dürfen, sind grundsätzlich auch berechtigt, Abmahnungen auszusprechen.

6. Rechtsstreit

Der Arbeitnehmer kann die Entfernung einer ungerechtfertigten Abmahnung aus der Personalakte verlangen und diesbezüglich auch entsprechende Klage beim Arbeitsgericht erheben. Für diesen Fall muss der Arbeitgeber dann die Rechtmäßigkeit der Abmahnung beweisen, weshalb es auf exakte Formulierung des Vorwurfs und des für die Zukunft zu erwartenden Verhaltens ankommt.

Häufig wenden sich jedoch Arbeitnehmer nicht direkt gegen eine erteilte Abmahnung, sondern erst, wenn eine Kündigung ausgesprochen worden ist. Falls nur eine Abmahnung ausgesprochen worden ist und sich dieses Kündigungsschutzverfahren als unwirksam herausstellt, ist möglicherweise auch die gesamte Kündigung unwirksam.